Ironman Kopenhagen (23.08.2015)

Ich finde es ist schwierig den Anfang zu einem Wettkampfbericht zu finden, denn wo ist eigentlich der Anfang? Ist es die Anreise zum Wettkampf, die letzte Nacht bevor es losgeht oder ist es der Startschuss zum Rennen? Aus meiner Sicht liegt der Anfang diesmal noch weiter zurück.

Im August 2014 hatten Jan, Fabian und ich uns dazu verabredet am Ironman Kopenhagen teilzunehmen. Da die Startplätze sehr beliebt sind, hieß es sich den Wecker zu stellen und dann pünktlich am Rechner zu sitzen, sodass einer der begehrten Startplätze auch ergattert werden konnte. Gesagt getan! Von da an hatten wir also ein Jahr, um uns vorzubereiten und ein Jahr kann verdammt lang sein. Hier ging es erst einmal durch die Off-Season mit ein paar Ausflügen in Randsportarten wie Crossfit oder Mountainbike fahren bevor dann langsam wieder der Einstieg ins spezifische Triathlon Training erfolgte. Ein wenig Form aufbauen im Trainingslager, ein paar „Wehwehchen“ überstehen und den ein oder anderen Vorbereitungswettkampf absolvieren. Dann ist das Jahr auch schon irgendwie um und jeder von uns drei hat auf den einen oder anderen Weg die Strecke nach Kopenhagen hinter sich gebracht. Ob mit dem Flugzeug oder mit dem Auto wir haben uns auf alle Fälle im selben Hotel getroffen, um uns an den letzten beiden Tagen gegenseitig die Nervosität zu nehmen. Obwohl dafür eigentlich jeder seinen eigenen Helfer dabei hatte. Insgesamt haben wir mit unserer 10 Personengruppe ein wenig mehr zur Auslastung des Hotels an diesem Wochenende beigetragen. Es war schon sehr beruhigend, dass immer einer da war, um ein Gespräch am Laufen zu halten, sodass die eigenen Gedanken einen nicht vollkommen Durchdrehen ließen. Auch war es mehr als angenehm gewisse Routineprozesse – wie die Fahrradabgabe oder „das letzte Abendmahl“ – gemeinsame zu absolvieren, weil es einen die Gewissheit gab alles richtig zu machen, da die Anderen es auch so machten. Es gab aber auch Situationen in denen der Puls kurz in die Höhe schoss, weil einer etwas wusste was irgendwie neu war und total „verrückt“. Bei mir trat diese Situation beispielsweise ein, als Jan mir mitteilte, dass wir die Startnummer auf dem Rad nicht anlegen müssen, sondern diese nur zum Laufen getragen werden muss. Bis zur Beutelabgabe habe ich das wirklich für einen Witz gehalten. Aber als Jan mir dann auch noch mit ernster Miene mitteilte, dass er auch noch einmal bei einem Offiziellen nachgehakt hat, habe ich mich kurz vor der Beutelabgabe entschieden die Startnummer umzupacken. (Für alle die sich jetzt fragen wieso das ein Grund zur Aufregung sein sollte kurz zur Erklärung: Die Beutelabgabe erfolgt immer am Vorabend eines Ironman und in diesem Fall waren die Wechselzonen an unterschiedlichen Orten, sodass keine Chance Bestand die Nummer noch schnell am Morgen wieder umzupacken. Bekanntermaßen kann eine fehlende Startnummer ja bis zur Disqualifikation führen.) Irgendwann kommt dann aber doch Die letzte Nacht vor dem Start und keiner ist mehr da mit dem sich unterhalten werden oder rumgeblödelt werden kann und dann kommen die wildesten Gedanken (mir geht es zumindest immer so). Habe ich genug trainiert, habe ich alles in die richtigen Beutel getan, hält das Fahrrad, usw. Jedenfalls führen diese Gedankenspiele immer dazu, dass ich vor einem großen Wettkampf nie richtig schlafen kann. Dieses Mal bin ich kurz vor zehn ins Bett und habe kurz vor halb zwei das letzte Mal auf die Uhr geschaut, um mich dann um vier von meinem Handy wecken zu lassen. Es hat mich dann auch nicht wirklich getröstet, dass mir die anderen später auf dem Weg zum Start mitteilten, dass sie mehr oder weniger gut geschlafen haben. Um 4:15 Uhr stand dann auch schon Fabian vor der Tür und es gab erst einmal das Frühstück für Champions (Brot mit Butter, Honig und Salz). Kurz nach fünf haben wir uns dann alle in der Hotellobby getroffen, um den Weg zum Start anzutreten.

7:05 Uhr und ich darf in die Vorstartzone. Die Aufregung erreicht nun langsam seinen Höhepunkt. Noch 5 Minuten und meine Startwelle macht sich auf dem Weg. Fabian und Jan haben mir einen großzügigen Vorsprung von 10 Minuten gewährt (eine Startwelle später), sodass ich in diesem Rennen der gejagte Hase bin. Die Profis und die „Sub-10-Wave“ sind schon im Wasser und entfernen sich immer mehr vom Ufer. Gleich darf ich auch in das knapp 20 °C warme Wasser der Ostsee. Noch ein paar Pseudoaufwärmübungen und dann schallt aus dem Mikrofon schon die Info, dass es in einer Minute losgeht. Ich positioniere mich nach und nach im vorderen Drittel meiner Gruppe. 10, 9, 8, noch einmal tief ein- und ausatmen, 3, 2, 1, Peng. Auf geht’s!

Das Schwimmen fühlt sich echt gut an und von der Aufregung ist nichts mehr zu spüren. Es dauert nicht lange und ich schwimme auf die erste hellblaue (Farbe der Startwelle vor mir) Badekappe auf. Zur Halbzeit der Schwimmstrecke habe ich das Gefühl, dass ich mindestens schon ein Drittel der Startwelle vor mir eingeholt habe. Dies gibt mir teilweise schon ein wenig zu denken, da vor mir ja die Sub-10 Startwelle ins Rennen gegangen ist. Zum Ende des Schwimmens ist es dann unerträglich eng im Wasser, da die hellblauen Badekappen überall sind. Teilweise ist es nicht mehr so einfach zu überholen ohne sich gegenseitig zu behindern und der ein oder andere Schlag bleibt nicht aus. Ein Beinschlag trifft mich auch recht hart am rechten Auge, sodass nun Waser in die Brille eindringt. Vollkommen egal, da der Schwimmausstieg nur noch gefühlte 100m entfernt ist (der Schlag hat übrigens ein kleines Veilchen hinterlassen, sodass ich für Unwissende so aussehe als ob ich eine eingeschenkt bekommen habe). Der Schwimmausstieg ist erreicht und ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr bevor ich den Knopf betätige, um zur nächsten Disziplin zu springen. Ich glaube da stand irgendwas mit 1:03 h. Sehr cool! Damit liege ich mehr als im Plan, um mein Ziel Sub-11 zu erreichen.

Jetzt irgendwie die Strecke von 180km auf dem Rad hinter mich bringen. Alle 20 Minuten ein Schluck aus der Gel-Trinkflasche und alle 10 Minuten ein Schluck aus der Wasserflasche. Immer schön auf dem geplanten Puls achten und nicht überzocken. Klingt in der Theorie alles so schön einfach, aber in der Praxis und im Wettkampfmodus sieht die Sache ganz anders aus. Die ersten 30 km zwinge ich mich regelrecht langsamer zu machen, da ich knapp 10 Schläge über dem Soll bin. Nach 70 km holt mich Fabian ein, was mir wieder einmal schmerzlich bewusst macht, wie schwach ich auf dem Rad bin. Auf das verdammte süße Gel habe ich nach ca. 90 km keinen Bock mehr und meine Riegel, die ich zur „ausgewogenen Ernährung“ und Abwechslung dabei habe, hängen mir nach ca. 130 km zum Halse raus. Dies ist auch der Moment in dem ich unter einen 30 km/h Schnitt falle. Nun muss ich mich irgendwie über die letzten 50 km quälen und gegen den doofen Wind antreten (Anmerkung: @Folkhard: Die Strecke ist alles andere als flach!). Es ist eine reine Kopfsache und ich freue mich einfach nur noch darauf bald vom Rad zu steigen, sodass mein Hintern endlich aufhört zu schmerzen. Ich kann mir in diesem Moment nichts Schlimmeres vorstellen als Rad zu fahren und zum ersten Mal an diesem Tag kommt der Gedanke: „Wieso tust du dir das an“? Beim zweiten Wechsel bin ich dann doch recht schnell wieder positiv gestimmt, da mir ein erneuter Blick auf die Uhr verraten hat, dass ich trotz des rapiden Leistungsabfalls noch voll im Plan bin. Mit 5:50 h muss ich den Marathon jetzt nur knapp unter 4 h laufen.

Der Wechsel klappt mehr oder weniger gut, sodass ich zügig zu meinem gewohnten Schritt beim Laufen finde. Mein erster Kilometer ist viel zu schnell und ich nehme erst einmal Tempo raus. Ansonsten klappt alles recht gut. Auch die erste Nahrung an der Verpflegungsstation nimmt mein Körper ohne Probleme auf. So kann es weitergehen! Nach ca. 5 Kilometern komme ich bei Tommy (mein persönlicher Helfer an diesem Tag) vorbei, der mich mit Gels, Cola, Rigel und Chews für den nächsten Teilabschnitt belädt. Beim Laufen will ich nämlich nichts dem Zufall überlassen und versuche nur meine eigene Nahrung zu verwenden. Der Plan ist es an den Verpflegungsstationen nur Wasser und evtl. Cola abzugreifen und dann meinen eigenen „Süßkram“ zu mir zunehmen. Bis zum Kilometer 14 klappt alles wie am Schnürchen und ich bin mehr als positiv gestimmt, dass das heute mein Tag wird und alle Ziele in Erfüllung gehen. Doch ganz plötzlich sinkt mein Puls um gute 15-20 Schläge, die Kraft aus den Beinen verschwindet und ein richtiges Durchatmen fällt mir sehr schwer. Das war dann wohl der berühmte Mann mit dem Hammer. Bloß ist der Typ diesmal nicht mit dem Hammer gekommen, sondern aus meiner Sicht mit dem richtig schweren Gerät angerückt. Ab jetzt wird der Tag wohl noch sehr lang. Ich versuche wieder zu meinen Rhythmus zu finden, aber der Puls will einfach nicht mehr so richtig hoch gehen. Die Kilometerdurchgangszeiten werden immer langsamer und ich versuche meinen Körper mit positiven Gedanken in Bewegung zu halten. ‚Schon zwei Drittel der Strecke geschafft. Bald sind die zu absolvierenden Kilometer einstellig. Noch 1 Kilometer bis zur nächsten Verpflegungsstation.‘ Das sind die Phrasen, die mir derzeit durch den Kopf schießen. Als ich wieder einmal bei Tommy vorbeikomme und er mir ein Riegel gibt und mich zum Essen überreden will, weil wir das vorher so verabredet haben, fange ich auch noch an zu rebellieren. Beim Geruch des Riegels wird mir schon schlecht und ich schmeiße ihm das Teil direkt wieder vor die Füße und bleibe ab jetzt nur noch bei Gel und Cola. – Im Nachgang weiß ich, dass er es nur gut meinte, aber wenn es einen schlecht geht, dann muss sich irgendwie Luft gemacht werden auch wenn es i.d.R. die falschen abbekommen. Es sind jetzt noch 3,8 Kilometer und ich krieche gefühlt auf dem Zahnfleisch über die Strecke. Der Puls hat sich mittlerweile komplett in den Keller verzogen und jedes zuwiderhandeln diesen dort zu belassen wird mit heftigen Seitenstichen bestraft. Ich überschreite gerade meine Wunschzeit und das sorgt nicht gerade für gute Laune in meinem Gesicht. Als ich dann endlich auf die Zielgerade einbiege – die sehr lang ist – wird die Laune aber spürbar besser. Mein Körper weiß, dass es gleich vorbei sein wird und mobilisiert noch einmal die allerletzten Körner. Von weitem höre ich schon den Moderator, der alle Teilnehmer im Ziel willkommen heißt. Die letzten Vorbereitungsmaßnahmen werden getroffen. Startnummer wieder nach vorne, Mütze abnehmen, den Schweiß abwischen und ein Lächeln ins Gesicht zaubern, denn das Zielfoto soll ja gut werden *GRINS*. Dann ist es soweit und ich kann die Arme nach oben reißen. Leider habe ich die berühmten und so beliebten Worte vom Moderator nicht zu hören bekommen. Ich nehme glücklich meine Medaille entgegen und schleppe mich ganz langsam Richtung Athletenbereich.

Nun liegt der Wettkampf in Kopenhagen bereits eine Woche zurück. Die Schmerzen sind mittlerweile vollkommen vergessen. Es ist schon lustig, dass es eigentlich nicht möglich ist, sich an Scherzen zu erinnern. Daher packe ich noch eine Floskel aus: „Schmerz vergeht, aber Stolz bleibt!“
Gedanklich fällt es mir aber noch sehr schwer meine Gefühle zum Wettkampf in Einklang zu bringen. Einerseits bin ich total happy über das Finishen und der guten Zeit unter 11:30 h, aber auf der anderen Seite habe ich ein wenig mit Sub-11 geliebäugelt, daher ärgert es mich ein wenig, dass der Marathon am Ende so freudlos lief. Vielleicht ist das auch der Grund wieso ich mich schon einige Male auf der Ironman Webseite erwischt habe.
Den Anfang zu finden war schwierig, aber das Ende dieser kleinen Ironman-Geschichte lässt sich ganz einfach beschreiben. Hierzu bediene ich mich einfach der Rückseiteninschrift meiner Medaille. „This is not a tea party.“

Ort

Kopenhagen
Dänemark