Die Wetterhölle von Kaiserslautern
Fünf Uhr morgens und mein Handy spielt den so gehassten Klingelton zum Wecken ab. Nach nicht einmal zwei Sekunden habe ich das Geräusch verstummen lassen. Einmal noch richtig strecken und seufzen, weil es so früh am Morgen ist und dann wird die Decke zur Seite geschwungen und aufgestanden. In knapp drei Stunden beginnt mein Wettkampf in Kaiserslautern auf der Mitteldistanz.
Der Veranstalter hat sich auf seine Fahne geschrieben, im Jahr 2013 die erste Mitteldistanz in Deutschland anzubieten. Alleine bin ich aber nicht bei dieser verrückten Idee. Zusammen mit meinen Freunden aus Zweibrücken und Potsdam gehe ich an den Start. Wobei mein Kumpel aus Potsdam sich nur für die Olympische Distanz überzeugen ließ. Aus zwei Gründen wollten wir bei diesem frühen Wettkampf im Jahr mitmachen:
1. Der erste Tri-Pfalz Triathlon war einer der am besten organisierten Veranstaltungen an die ich je teilgenommen habe.
2. Bei einer so frühen Mitteldistanz im Jahr haben wir noch einmal genügend Zeit um uns für eine zweite MD Ende August bzw. Anfang September vorzubereiten.
In unserer gemeinsamen Planung haben wir solche unwichtigen Dinge wir Jahreszeit, besondere Tage im Kalender (z.B. Eisheiligen) und mögliches schlechtes Wetter außen vorgelassen. – Wie naiv wir doch waren!
Nach einem schönen Frühstück und einem recht coolen Sonnenaufgang haben wir uns ins Auto gesetzt – vorbildlich hatten wir schon am Vorabend alle notwenigen Utensilien verstaut – und uns auf dem Weg nach Kaiserslautern zum Gelterswooger See gemacht. Auf der Fahrt dorthin wurde mir auch schon ein wenig anders, da von der Sonne nicht mehr viel zu sehen war – ich denke die arg dunklen Wolken waren daran schuld – und die Temperatur auch noch nicht den zweistelligen Bereich erreicht hatte. Es kam auch so wie es kommen musste. Kaum waren wir auf dem Parkplatz vom Strandbad Gelterwoog angelangt, begann es zu regnen. Da half es mir auch nicht, dass der Mann im Radio beim Wetterteil vor nicht einmal fünf Minuten sagte, dass die Schauer heute zu vernachlässigen sind und die Temperaturen im Laufe des Tages noch auf 13°C ansteigen werden. Uns blieb also nichts anderes übrig als unsere Räder im strömenden Regen Startklar zu machen und unsere restlichen Sachen so gut wie möglich Wasserschützend zu verpacken, sodass wenn es auf die Laufstrecke geht bzw. wenn der Wettkampf beendet ist auch noch trockene Sachen zur Verfügung stehen.
Um 7.50 Uhr ging es nach einer kurzen Wettkampfbesprechung in die Start-Box der ersten Welle. Hier hatten wir einen 5 minütigen Aufenthalt bevor wir endlich ins Wasser zum Einschwimmen durften. Es war schon ein recht lustiges Bild die ganzen Athleten von einem Bein auf das andere springen zu sehen, da der kalte steinige Untergrund bei 9°C Außentemperatur und der anhaltende Regen die ersten Herausforderungen des Tages bildeten. Als wir dann um 7.55 Uhr in den wohltemperierten 15°C warmen See durften, ging Erleichterung und Freude durch die Reihen. Auch war das ein oder andere erste Lächeln am heutigen Tag zu sehen. Es war übrigens Neopflicht!
Punkt 8.00 Uhr fiel dann der Startschuss zum 2. Tri-Pfalz Triathlon.
Beim Schwimmen ging es überraschend gut voran für mich, sodass ich nach 31:55 Minuten aus dem Wasser kam, mir meinen Wechselbeutel schnappte und in das vorbereitete Zelt – wenigstens kurz einmal vor dem Regen geschützt – rannte. Den Neoprenanzug hatte ich schon zu Hälfte runter, sodass ich nur noch die Beine befreien musste. Hierbei hat es mich dann buchstäblich von den Füßen gerissen. Die linke Wade hat komplett zugemacht und ich habe mich mit einem Krampf am Boden wiedergefunden. Der bis dahin rausgeholte Vorsprung von 3 Minuten auf meinen Kumpel war dahin. Fast 9 Minuten habe ich in der ersten Wechselzone zugebracht, um meine Beine wieder locker zu bekommen und meine Kleidung für das Radfahren anziehen – eine der längsten Wechselzeiten des Tages. In dieser Zeit habe ich mehr als einmal darüber nachgedacht warum ich mir das alles antue und die Vorstellung sich jetzt ins trockene und warme Auto zu setzen war sehr verlockend. Hier musste ich das erste Mal gegen meinen inneren Schweinehund ankämpfen. Nichtsdestotrotz habe ich mich irgendwie auf die Radstrecke begeben und an die ersten Höhenmeter des Tages gewagt.
Insgesamt galt es in 2 Runden 1200 HM im Pfälzer Wald zu überwinden. Hierzu mussten alle Athleten zwei Anhöhen mit dem Rad nehmen bevor es in einer langen Abfahrt zurück nach Kaiserslautern ging.
Nach der ersten Runde hatte ich mich halbwegs locker gefahren, der Schnitt der Geschwindigkeit stimmte auch, die Beine schienen wieder mitzumachen und meine Stimmung nahm ein bisschen zu. Zu diesem Teil des Tages passte es auch, dass der Regen nachließ und die Sonne sich kurzfristig zeigte. Ein herrliches Gefühl. Dies war aber nur der Auftakt zum großen Wetterfinale. Kaum hatte ich 10 km der zweiten Runden zurückgelegt zog sich der Himmel wieder zu und kurz vor dem nächsten Anstieg fing es an zu hageln. Das war wieder so ein Moment wo ich am liebsten rechts rangefahren wäre. Glücklicherweise ging der Hagelschauer nach einigen Minuten in einen Regenschauer über – alles Negative hat halt auch seine positiven Seiten. Beim letzten Anstieg des Tages haben dann meine Beine vollkommen abgeschaltet und ich habe überhaupt keinen Druck mehr auf die Pedale bekommen. Ich weiß auch nicht wie ich diesen Anstieg geschafft habe, aber irgendwie bin ich oben angekommen. Beim Hochfahren habe ich nur gewusst, dass wenn ich jetzt kurz anhalte, dann ist das Rennen vorbei und der Gedanke spielte zu diesem Zeitpunkt die Hauptrolle in meinem Kopf. Die Rettung auf dem Fahrrad war letztendlich die todesgefährliche Abfahrt – jeder sollte mindestens einmal im Leben einen Berg mit 10% Gefälle und vollkommen nasser Straße mit dem Fahrrad herunterfahren – in der ich mich ein wenig regenerieren konnte. Als ich dann nach 3:01:35 Stunden Radfahrzeit in Kaiserslautern ankam war mir endgültig klar das dies hier heute kein Meisterstück werden wird.
Ab hier war mein neues Mantra: "Ich will nur finishen egal was noch kommt". Mit diesen Worten im Kopf habe ich mich versucht über die vier Laufrunden zu retten. Erst nach knapp fünf Kilometern habe ich langsam wieder meine Hände und vor allen meine Füße gespürt, die vom Fahrradfahren vollkommen eingefroren waren. Durch das neugewonnene Gefühl in meinen Gliedmaßen fiel mir auch auf, dass ich mit kleinen Steinen im Schuh laufe – von diesen habe ich mich an der nächsten Verpflegungsstation getrennt. Auf der Laufstrecke hat sich die Sonne ein wenig häufiger sehen lassen als im bisherigen Rennverlauf, aber leider war der vorherrschende Tenor immer wieder Regen. Einen letzten Knacks habe ich noch einmal bekommen als mein Kumpel – der mit mir die MD bestritt – mich Mitte der dritten Runde einholte und in einem lockeren Schritt an mir vorbei lief. Ich hätte schreien können, denn für mich fühlte sich zu diesem Zeitpunkt jeder Schritt an als hätte ich Blei in und an den Schuhen. Es war auch nicht mehr wirklich Laufen, sondern eher schlurfen. Insgesamt hat er mir an diesem Tag unfassbare 33 Minuten abgenommen. Als ich dann endlich nach 5:38:42 Stunden ins Ziel kam war ich einfach nur froh diesen Wettkampf irgendwie überstanden, nicht aufgegeben sowie meine innere Stimme erfolgreich unterdrückt zu haben, die mir laufend zuschrie ich soll doch lieber aufhören und mich gefälligst irgendwo ins warme begeben um einen Tee zu trinken.
Als ich im Zielbereich so halbwegs meine Beinmuskulatur im Griff und mich zum Verpflegungspunkt durchgekämpft hatte – wo meine Freunde schon auf mich mit einem Erdinger warteten – fiel mir auch gleich der größte Fehler, der heute schief gelaufenen Organisation des Veranstalters ins Auge. Denn wenn sogar nach solch einem harten Rennen nur Sitzmöglichkeiten im Regen möglich sind, dann sollte noch einmal in sich gegangen und darüber nachgedacht werden, ob nicht hier beispielsweise ein großes Festzelt errichtet hätte werden können. Die wenigen Teilnehmer die sich in der Nach-Renn-Verpflegungsstation befanden, suchten Schutz vor dem Regen unter den viel zu wenig vorhandenen Sonnenschirmen. Als Teilnehmer kann ich bis zum Schluss auf gutes Wetter hoffen und dann doch enttäuscht werden, aber als Veranstalter sollte ich hier immer einen Plan B haben (z.B. Festzelt, Turnhalle, leerstehende Lagergebäude, …). Ebenfalls sehr erquickend empfand ich die Tatsache, dass die abgegebenen After-Race Sachen ohne Überdachung auf einem offenen Platz abgelegt wurden, sodass diese natürlich alles andere als trocken waren – ganz großes Kino. Um der Organisation noch das letzte i-Tüpfelchen zu verleihen, waren die Duschen kalt, denn nach so einem heißen Rennen muss sich jeder Teilnehmer einmal richtig abkühlen. Im Vergleich zum ersten Jahr hat die Organisation sehr viele vermeidbare Fehler gemacht und neben dem schlechten Wetter somit für noch mehr Verdruss gesorgt.
Als Fazit für mich kann ich nur mitnehmen, dass dieser Wettkampf alles andere als gut gelaufen ist, ich dafür aber das Level meines inneren Scheinhundes weit nach oben geschraubt habe.
P.S. Die Ausfallquote (technischer Defekt, freiwillige Aufgabe, Verletzung, Sturz, Atemproblem durch die kalte Luft, …) im heutigen Rennen auf der Mitteldistanz lag bei knapp 41%.
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