"Gegen den Wind" Triathlon - St. Peter Ording

Ein kurzer Rennbericht vom 30.06.2012

„Gegen den Wind“

Ein kurzer Rennbericht

 

30.06.2012 ca. 09:30 Uhr – St. Peter Ording empfängt uns mit dicken prasselnden Tropfen. Der Wetterbericht von wetter.de hat mal wieder kläglich versagt. Von wolkenfreien 20°C und Sonnenschein sind wir weit entfernt. Der aus Hamburg mitgebrachte Optimismus wird wortwörtlich dort hin zurück geblasen. Unser VW-Bus kämpft sich tapfer durch knöchelhohe Pfützen auf den weiten Strand des Kurortes. Atemberaubend der Anblick dieses nicht enden wollenden Sandgebildes, das sich durch ein grün bewachsenes Dünenband vom Festland trennt. Vereinzelt stehen Hütten auf hohen Stelzen im Sand. Die Höhe lässt erahnen, was hier los ist, wenn Zeus die Muskeln spielen lässt. In der Ferne steht ein kleines weißes Zeltdorf und trotzt Wind und Wetter. Da muss es sein. Die Spannung steigt.

Der erste Eindruck bestätigt die gute Organisation. In den vergangenen acht Jahren hat man viel Erfahrung gesammelt. Es ist an alles gedacht, die Startnummernausgabe geht zügig von Statten, Kaffee wärmt und der ein oder andere Stand hält nützliche Funktionsbekleidung parat und lenkt von der Anspannung ein wenig ab. Durch das Wiedererkennen bekannter Gesichter wird die familiäre Atmosphäre vorangegangener Veranstaltungen fortgesetzt.

 

Während ich die Wasserabweisung meiner neuen Oberkörperbekleidung teste und meine Blicke über die Wechselzone schweifen lasse, kann ich nicht verhindern, dass sich das Rennen bereits jetzt gedanklich vor meinen Augen abspielt:

Beim Schwimmstart sehe ich mich waghalsig in die Fluten der Brandung stürzen, so wie im Stadtpark, nur ohne Fluten und ohne Brandung. Das gemeinsame Open-Water-Training macht sich bereits auf den ersten Metern bezahlt und so hefte ich mich unter Ausnutzung des Wasserschattens an die Fersen der mittelguten Schwimmer. Folkhard ist wieder vor mir und diesmal kann ich gut mithalten. Die Strömung ist auf meiner Seite und trägt mich förmlich entlang des Strandes in Richtung Schwimmausstieg. Aus dem Wasser steige ich Godzilla-like und laufe mühelos die wenigen hundert Meter durch den Sand zur Wechselzone. Rasch geht es auf das Rad, das bisschen Wind haben wir in Hamburg auch. Die Kette schmeiße ich nach rechts und starte meinen Husarenritt. Nur wenige können bei diesem Antritt mithalten. 40 Kilometer sind ein Pappenstiel, das Training am Deich hat mir die nötige Widerstandskraft verliehen. Viele Plätze gutgemacht steige ich vom Rad und wechsle in Windeseile in meine warnfarbenen Laufschuhe. Die Beine sind noch gut, maximal 50 Laufminuten werde ich bei meinem Debüt raushauen. Der Regen kühlt mich und so muss ich nicht einmal bei den Verpflegungsstellen Halt machen. Der Jubel und die Schreie der Zuschauer an der Laufstrecke katapultieren mich leichtfüßig zurück zum Strand. Das erlösende Piepen des Zeitmessers wird mein bisher bestes Rennen beenden. Vielleicht mache ich mit Christian abends noch eine kleine Runde auf dem Rad um die Gegen noch zu erkunden? Oder ich laufe gemütlich aus. Mal schauen.

 

11:00 Uhr - Die Wolken sind plötzlich verschwunden, die Sonne erkämpft sich das Vorrecht. Schließlich ist Sommer. Vielleicht war sie auch auf wetter.de. Egal – Sonne! Die Pfützen werden kleiner, es wird Zeit, die Wechselzone einzurichten. Groß und übersichtlich ist sie. Zwei Gänge lassen nur die Wahl zwischen links und rechts. Musik stimmt auf den Wettkampf ein. Das Rad wird für einen kurzen Laufweg mit Klickschuhen platziert. Kurz vor der letzten Fahne. Für einen hohen Wiedererkennungswert sorgen eine auffällige Wechselbox und ein weinrotes Handtuch. Das hat im Stadtpark auch schon geklappt. Mehrere Male gehen Christian und ich vom Auto zur Wechselzone und stoßen dabei nach und nach auf unsere Mannschaftskammeraden/-innen. Als ich auf Timo treffe, habe ich bereits einen Neo an. Timo scheint gerade erst angekommen zu sein. Den Routiniers ist im Gegensatz zu mir keine Anspannung anzusehen.

Bei der Wettkampfbesprechnung wird besonders auf die Schwimmstrecke eingegangen. An sechs Pfählen geht es entlang um die erste Boje, dann die erste und zweite weiße Boje links liegen lassen. Dabei auf die Strömung achten. Dann den Katamaran, dann die drei anderen blauen Bojen umschwimmen. Zurück zum Strand geht es zwischen weiteren sechs Pfählen und der Muschelbänke... WHAT – Muschelbänke? Na Gott sei dank sind das DLRG und die Küstenwache vor Ort. Zur Not könne man sich am Katamaran festhalten und pausieren. Pausieren kam in meinem Tagtraum aber nicht vor.

 

12:00 Uhr – Ca. zehn Minuten Fußweg stehen bis zum Schwimmstart an. Unter der mittlerweile sengenden Sonne verfliegen alle Gedanken an den Regen und überschwemmte Wechselboxen. Wie warm es wirklich wird, ahne ich noch nicht. Eine Gruppe schwarzer Gummihaut tragender Gelbkopfpinguine tummeln sich in Sichtweite. Sie schwimmen sich zum Teil schon ein. Noch ein kurzes Foto gemacht und allen Glück und Erfolg gewünscht und rein in die Fluten.

 

12:25 Uhr – Beim Einschwimmen werde ich mit der schonungslosen Realität konfrontiert. Meer und Wind und Wellen lassen mich kurz wissen, was sie mit mir vor haben. Als ich mich in der Gruppe einreihe, suche ich das erste Mal das rote Boot der DLRG. Die Jungs werden mich schon rausfischen, wenn es hart auf hart kommt. Außerdem habe ich meiner Frau versprochen, nicht abzusaufen. Kurz durchatmen, drei, zwei, eins...

 

12:30 Uhr – Start! Ich lasse den anderen den Vortritt, es reicht, wenn mir die Wellen ins Gesicht peitschen, das müssen nicht auch noch Hände und Füße sein. Endlich ist es so tief, dass ich schwimmen kann. Wenn man das Schwimmen nennen kann. Nach wenigen Zügen schnappe ich das erste Mal nach Luft und wechsle in den Bruststil. FUCK! Das ist genau das, was ich verhindern wollte - Anfangspanik beim Schwimmen. Bei den nächsten Zügen schlucke ich immer wieder Wasser. So geht das nicht. So kann das nicht schon wieder los gehen. Ich versuche mich zu beruhigen und meinen Rhythmus zu finden. Aber wie soll das gehen bei diesem Wellengang? Zweiter Versuch. Es muss gehen!

Und es geht. Die Wasserlage beim Kraulen bringt Ihre ganzen Vorteile zu Tage. Die Wellen spüre ich nur noch durch ein grobes Auf und Ab. Passe meine Atmung dem Wellengang an! YES. Nun nur noch in die richtige Richtung. Also kurz orientiert, aber wo ist die Boje hin? Ach, an der bin ich schon vorbei. Nun Richtung Katamaran. Das DLRG Boot zu meiner Rechten brauche ich nun doch nicht. Das beruhigt. Aber warum sind die Jungs so nah? Also kurz orientiert. FUCK. Die sind nicht so nah, ich bin zu weit draußen! Also kurz orientiert. Ein paar Schwimmzüge später komme ich schon den Pfählen der Erlösung näher. Am Katamaran habe ich keine Pause gemacht. Das wär's ja noch gewesen. SCHEISSE. Muss ich nun vor oder nach den Pfählen raus schwimmen? Wie war das? Ich weiß es nicht mehr. Also kurz orientiert. Ach ja, die Muschelbänke. Also kurz orientiert. Natürlich bin ich mittlerweile an den Pfählen vorbei geschwommen und muss umdrehen. Dass ich mehr geschwommen bin als die anderen motiviert mich unheimlich, denn ich bin nicht der letzte, der dem Wasser entsteigt. Und ich habe sicher keine Abkürzung genommen...

 

ca. 13:00 Uhr – Schwimmausstieg kenne ich noch vom Stadtpark, nur ohne Strand. Das Öffnen des Neos geht mittlerweile automatisch. Rechts von mir läuft Hellmut und sagt irgendwas, das ich nicht verstehe. Von Godzilla ist nur noch Schnappi übrig geblieben. Es ist weit bis zur Wechselzone. Sehr weit. Aber meine langen Schritte machen sich bemerkbar und ich überhole zwei, drei andere Kandidaten. Dass ich viel zu schnell laufe, merke ich am Eingang in die Wechselzone. Ich möchte mit dem Chip über den Zeitmesser streichen und renne voll ich die gute Frau rein, die da steht. Dabei hat die doch extra eine Warnweste an. Im Flug auf die Fresse frage ich sie, ob das Messgerät gepiept hat. Anstatt ja oder nein zu sagen, fragt sie mich, ob alles in Ordnung ist. NICHTS ist in Ordnung. Ich weiß nicht, ob das Ding gepiept hat oder nicht. Egal, weiter zum Rad...

 

ca. 13:03 Uhr – Endlich Rad fahren. Meine Paradedisziplin. Jetzt haue ich sie alle weg. Karsten ist wahrscheinlich schon auf der Laufstrecke, aber Timo und Folkhard müssen sich warm anziehen! Ich habe mir vorgenommen, drauf zu drücken. Und ich drücke drauf. Bis ich aus dem Ort bin, habe ich sicher drei, vier Mitstreiter kassiert. Meine Streitaxt habe ich dabei. Da sitze ich drauf. Bis zum Wendepunkt nutze ich den Rückenwind und trinke ein paar Schlücke. Dabei fällt mir auf, dass ich meine Startnummer nicht angezogen habe. FUCK. Ich habe meine Startnummer nicht an. Panik. Was tun? Mir geht die Story von Martin durch den Kopf, da war auch irgendwas. Er hat direkt den Kampfrichter angesprochen und konnte das wieder hin biegen mit seiner Wertung. Kampfrichter? Woher bekomme ich jetzt einen Kampfrichter? Da! Nein. Ein Feuerwehrmann. Da! Nein. Noch ein Feuerwehrmann. Plötzlich fährt ein Motorrad an mir vorbei. AHA. Ein Kampfrichter. NEIN. Nicht weg fahren! Ich habe doch keine Startnummer! Gott sei Dank. Er hält da vorn an. Ich auch. Und gibt mir grünes Licht. JAWOHL. Weiter geht’s. Wie im Rausch drücke ich gegen den Wind. Ein kleinerer Gang, aber kaum langsamer. Hä? Was macht der andere da vorn? Lutscht der? Der lutscht! DER LUTSCHER! Das gibt es na nicht. Ich acker' mir hier einen ab und der lutscht! Als ich auf die zweite Runde fahre merke ich deutlich das Brennen der Oberschenkel. Aber das Gefühl ist mir nicht fremd. Und motiviert durch die Wut auf die Lutscher des Tages ziehe ich das Radfahren voll durch. Ich kann mich vom Kopf her entspannen – das Schwimmen ist vergessen – ich lasse es mir aber nicht nehmen, den Lutschern auf der Gegengeraden lautstark mitzuteilen, was ich von ihnen halte.

 

ca. 14:10 Uhr – Als ich das zweite Mal in die Wechselzone komme, merke ich erstmals, wie heißt es mittlerweile ist. Das kann auch die Farbe meiner Laufschuhe nicht ändern. Das kurze Stück tiefer Sand nach der Wechselzone ist eine Qual für meine strapazierten Beine. Nur schnell den Laufrhytmus finden. OH. Asphalt. Endlich Asphalt. OH NEIN. Ein Singeltrail. Jetzt geht es hinauf. Und wieder runter. FUCK. Ich pack's nicht. Wollen die mich umbringen? Meinen Rhythmus kann ich vergessen. Ich sehne mich nach meinem Mountainbike. Die Laufrunde führt durch ein kleines aber feines Naturschutzgebiet. Der Duft von Nadelgehölz mischt sich mit der warmen Meeresluft. Doch ich nehme nur schwüle Hitze wahr. An der ersten Verpflegungsstation schlucke ich in vollem Lauf einen halben Becher Wasser. Mein Körper bedankt sich mit heftigem Seitenstechen auf der rechten Seite. An der zweiten Verpflegungsstation sind sie immer noch da. Auf einmal fliegt Karsten an mir vorbei und feuert mich an. Wenn ich noch könnte, würde ich mich ja freuen. Ich lasse mich von den Überholenden ablenken und fixiere die Hacken der Vordermänner. Von denen gibt es ja jetzt genug. Nur sind die mir zu schnell. Schließlich findet sich einer, der mein Tempo läuft. Ich hänge mich dran und der Gute rettet mich zum Wendepunkt. Danke Fremder. Einfach weiterlaufen, „rollen“ lassen nennt das Rainer. Ich kann nichts mehr rollen lassen. Aber gehen tue ich nicht, das kommt nicht in die Tüte. Auf der zweiten Laufrunde hält mich mein eiserner Wille am Leben. Ein Mädel überhole ich links, von mir überrascht stolpert sie promt über eine Wurzel und packt sich hin. Nur die Stärksten kommen durch. So will es die Natur.

Wie im Film sehe ich vor mir das Licht am Ende des Tunnels. Es ist das Ende des Weges, welcher über eine kleine harte Kuppe führt. Dahinter eröffnet sich mir zum zweiten Mal der Blick auf das Ziel. Wenige Schritte sind es noch, die mich und das Piepen trennen. Zieh' durch Junge!...

 

15:03 Uhr – PIIIIIIIEP! Das Mädchen will irgendwas von mir. Ich glaube, sie will den Transponder. Ich strecke ihr meinen rechten Arm hin. Hin sitzen. Einfach kurz hin sitzen...

 

Im Zielbereich wartet alles, was das Sportlerherz begehrt. Iso- und Teegetränke, Wasser mit und ohne Blubb, Bananen, Äpfel, Butterkuchen. Aber auch Karsten, Timo und Folkhard. Freude macht sich in mir breit und verdrängt diese Erschöpfung. Die Sonne wärmt und Wind und Hitze sind vergessen. Es ist ein schönes Gefühl. So befreiend.

 

Auch Christian wartet bereits geduldig. Seine roten Füße lassen erahnen, wie die Sonne den ganzen Mittag gebrannt hat. Er hat den ganzen Tag fotografiert.

 

Als auch Heike, Hellmut und Albrecht finishen, ist unser Team wieder komplett. Und ich reif für's Chill out.

Herzlichen Glückwunsch allen Teamkammeraden/-innen zur starken Leistung!

Mein Fazit:

Der Wunsch und die Realität liegen im Sport oft weit auseinander. Durch Training lassen sich die beiden aber zusammen führen.

 

Mein Dank gilt Christian Eder für die Möglichkeit des Mitfahrens, seinem Einsatz beim Materialtransport und seiner seelischen und moralischen Unterstützung.

 

Ich danke auch dem gesamten Team der Organisatoren und allen Helfern des Gegen den Wind Triathlons in Sankt Peter Ording.

 

Wir sehen uns Mittwoch zum Laufen.

 

Euer Dennis